Ein Plädoyer für mehr Selbstbestimmtheit der Mitarbeitenden
Zielvereinbarungen oder auch „Führen mit Zielen“ ist ein gängiges Führingsinstrument in der Unternehmenspraxis. Der 1955 von Peter Drucker entwickelte Führungsansatz zielt darauf ab, die Unternehmensstrategie in taktische Ziele herunterzubrechen und diese auf die Tätigkeiten aller Unternehmenseinheiten auf allen Stufen der Organisation bis hin zum einzelnen Mitarbeiter zu verteilen.
Sinnhaftigkeit von Zielvereinbarungen
Müssen Ziele bis auf den einzelnen Mitarbeiter heruntergebrochen und dann auch noch mit Boni verknüpft werden? Lassen sich Mitarbeiter durch die Vereinbarung von Zielen zu mehr Leistung motivieren? Die Wirksamkeit ist zumindest zweifelhaft. Einer Studie zufolge übernehmen nur die wenigsten Mitarbeiter persönlich Verantwortung, wenn Ziele nicht erreicht werden. Stattdessen werden äußere Einflussfaktoren verantwortlich gemacht.
Leistung durch Anreize und Belohnungen?
Es ist ein fragwürdiges Konzept, wenn Menschen erst durch Anreize und Belohnungen dazu gebracht werden müssen, Leistung zu erbringen und ihren Job zu erledigen. Wenn also in Unternehmen die Leistung der Mitarbeiter nicht stimmt, dann hat das nichts mit der Höhe der Boni zu tun und dass diese zu niedrig sind, sondern vielmehr mit der Unternehmens- und Führungskultur. Ein Anreizsystem, das Leistung belohnt, wird daran nichts ändern.
Meine Erfahrungen
Das bestätigen auch meine Erfahrungen mit Zielen: Ich war zum Schluss nur noch demotiviert, weil:
- der Ziel-Vereinbarungsprozess in Wirklichkeit kein Aushandeln der Ziele war, sondern ein Top-Down-Prozess,
- ich Ziele erhalten hatte, auf die ich zum Teil max. 5% Einfluss hatte.
- sich im Nachhinein herausstellte, dass ein Ziel keinen Sinn mehr hatte, weil sich die Rahmenbedingungen geändert hatten. Aber an dem Ziel wurde trotzdem festgehalten (starrer Prozess),
- ich Ziele erhalten habe, die die Endkunden (Bahnfahrer) nicht mehr im Blick hatten, sondern ausschliesslich den Gewinn des Unternehmens (es braucht aber ein gutes Gleichgewicht zwischen den Kundenbedürfnissen und dem Bedürfnis des Unternehmens),
- das Gegeneinander im Team durch divergierende Ziele gefördert wurde.
Es ist daher ein Umdenken erforderlich. Wer leistungsbereite Menschen will, braucht eine Unternehmenskultur, die Leistung durch Verantwortungsübernahme ermöglicht und Verantwortung als übergeordnete Dimension zur Zielfindung betrachtet. Führungskräfte sollten Mitarbeiter zukünftig verstärkt dabei unterstützen, zu erkennen, welche Rolle ihre Tätigkeit im Gesamtkontext des Unternehmens einnimmt und ihnen den Freiraum geben, Verantwortung für ihre Handlungen zu übernehmen.
Der andere Umgang mit Zielen äussert sich darin, Mitarbeiter nicht länger als Unmündige per Zielvereinbarung zu behandeln, sondern ihnen eine Kultur zu bieten, in der Selbstbestimmtheit gefördert wird und Verantwortungsübernahme zur Leistung motiviert.