Ich habe letztens einen interessanten Artikel über „Strategien, die zu den besten Lösungen führen“ (Förster & Kreuz, 2022) gelesen. Darin ging es um eine Aufgabe für Standford-Studenten, die mit 5 Dollar Startkapital und 2 Stunden Zeit das Maximum rausholen sollten. Die Strategien sind interessant und lesenswert, aber auf diese möchte ich hier gar nicht eingehen. Ich möchte auf den Erfolg eingehen und wann sich dieser auch so anfühlt.
Als ich die Aufgabenstellung der Studenten gelesen habe, machte mein Gehirn eine Zeitreise in mein eigenes Top-Leadership Programm der SBB. Ich war damals Geschäftsführerin bei der SBB Cargo Deutschland und war als Teilnehmerin irgendwo in einem Seminarhaus im Berner Oberland, wo der Zug nur hielt, wenn man die Taste „Halt auf Verlangen“ drückte.

Meine Erlebnisse im Top-Leadership Programm
Auch wir erhielten damals diese Aufgabe: Wir sollten mit 50 CHF, die uns physisch auf den Tisch gelegt wurden, innerhalb eines Tages das Maximum rausholen. Die Moderatorin liess dabei durchblicken, dass es mal an der Zeit war, dass wir aus unserer Komfortzone kämen. Da dieses Ereignis schon länger her ist, kann ich mich nicht mehr an Alles erinnern, aber hieran kann ich mich noch genau erinnern:
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- Ich war mega angepisst, weil ich echt unter Stress stand in meiner Funktion als Geschäftsführerin und eher vor einem Burnout stand als das mir langweilig war. Da brauchte ich nicht noch jemanden, der meinte, ich müsste aus meiner Komfortzone heraus.
- Ich war zwar in einem Team, das soweit ich mich erinnere Führerstandsfahrten auf der Lok verkauften wollte und damit so halb erfolgreich war (siehe dazu auch Strategie Nr. 2 aus dem o.g. Artikel), aber ich selbst hatte innerlich gekündigt. Warum? Ich fühlte mich nicht als Teil des Teams und hatte daher nach dem halben Tag beschlossen, lieber in meiner Funktion als Geschäftsführerin Mails zu bearbeiten. Dies erschien mir sinnstiftender zu sein.
Also, was war alles schiefgelaufen?
Irgendwie landete ich in einem Team (gelost oder ausgewählt, keine Ahnung) und wir machten erst einmal Brainstorming. So weit so gut. Doch dann fiel die Entscheidung sehr früh auf den Verkauf von Führstandsfahrten (= als Gast mitfahren auf der Lok). Und da gab es eigentlich nur eine Fachperson in unserem Team, die hier die Kontakte hatte. Ich weiss noch, dass ich gegen diese Lösung war, konnte mich aber mangels besserer Idee nicht durchsetzen. Ein Teil von uns gab sich mühe, trotzdem seinen Betrag zu leisten. Wir waren schliesslich in dem Top-Leadership-Programm der SBB. Da galt es Eindruck zu schinden. Da ich nicht einfach „mitspielte“, wurden mir in meinen Augen schwachsinnige Aufgaben zugeteilt und ich entschied zu gehen.
Was hätte passieren müssen, damit ich nicht nur geblieben wäre, sondern mit Freude mitgemacht hätte?
1. Mehr Zeit für die Lösung nehmen:
An unserer Brainstorming-Wand gab es sicherlich Lösungen, die wir anfangs nicht sahen. Aber unser Team war getrieben von Zeitdruck. So wurde eine zweit- oder drittklassige Lösung gewählt, nur um ein Ziel zu erreichen. Würde man so auch handeln, wenn es seine eigene Firma wäre oder sein eigenes Geld?
2. Die Stärken des Teams nutzen:
Was hatten wir für Fertigkeiten und Fähigkeiten, die wir hätten nutzen können – sowohl aus unseren Funktionen heraus als auch als ganzer Mensch? Wir sind schliesslich mehr als nur unsere Business-Funktion. Doch diese Frage stellte sich nicht. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass wir überhaupt eine Stärken-Analyse vorgenommen haben, geschweige denn aus all unseren Stärken eine Lösung zu finden.
3. Alle in die Entscheidfindung einbeziehen:
Bei unserem Team setzten sich die Lautesten bzw. Dominantesten durch. Fertig. Andersdenkende wurden ignoriert. Wir hätten uns aber zunächst über die Art der Entscheidfindung, z.B. Mehrheitsentscheid, Konsens oder Konsent (ok, das kannte ich damals noch nicht) verständigen sollen. Und wir hätten uns gegenseitig unsere Meinung anhören sollen und das Für und Wider diskutieren. Kurzum: wir waren alle gleichwertig und hätten uns auch so behandeln können.
4. Der Ton macht die Musik:
Nachdem ich nun mit einer Lösung, die mir nicht gefiel, überstimmt wurde, fühlte ich mich im Abseits. Ich war nicht mehr im Driver-Seat und ich gebe zu, das kann ich gar nicht leiden. Ich bin lieber die, die den Ton angibt. Aber wenn ich den Lead an mich reisse, dann muss ich auch schauen, wie ich mein Team für meine Sache begeistere. Jetzt wären Gespräche wichtig gewesen, mit Fragen wie: „Hey, ich weiss, du bist nicht für diese Lösung, aber was benötigst Du, damit Du bei uns mitmachst?“ Dann hätte ich mich wenigstens gesehen und wertgeschätzt gefühlt. Vielleich hätte ich dann auch einfach „niedere Aufgaben“ wie Kaffee organisieren oder Telefongespräche übernommen. Ich bin mir sicher, wenn ich gesehen und wertgeschätzt worden wäre, ich wäre nicht gegangen.
Zurück zur Fragestellung: Was ist Erfolg?
Per Definition ist Erfolg das Erreichen von Zielen, die man sich vorher definiert hat. Die Moderatorin unseres Leadership-Programms hat meinem Team zu seinem Erfolg gratuliert. Und die „Dagebliebenen“ freuten sich. Ich fühlte mich wie ein Nichts und wollte nur noch weg. Seitdem weiss ich, dass diese Definition sehr einseitig ist. In meinen Augen kommt es nicht nur auf das „Was = Ziele erreichen“ an, sondern auch auf das „Wie“!
Seit diesem Zeitpunkt bemühe ich mich, egal ob privat oder im beruflichen Kontext, alle Beteiligten in Entscheidungen einzubinden. Ich schaue genau hin, wenn ich den Eindruck habe, jemand in einem Team Workshop macht „dicht“. Auch bin ich sehr hellhörig, wenn mir eine Führungskraft sagt, dass es „Störenfriede“ gibt.
Von daher braucht das Team, damit sich der Erfolg auch als solcher anfühlt:
- einen ernsthaften Einbezug all seines Wissens bereits bei der Zieldefinition
- auf dem Weg zur Zielerreichung die Möglichkeit seine Stärken einsetzen zu können
- und wenn es zwischen 1. und 2. einen Konflikt gibt, eine Standort-Bestimmung um zu klären:
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- Warum läuft es nicht?
- Haben wir noch die richtigen Ziele?
- Was können wir besser machen?
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Wenn dann die Ziele erreicht werden, fühlt sich das im Team richtig gut an! Und das ist in meinen Augen wirklich Erfolg. Den gilt es mit dem Team zu feiern.